Nach dem ersten Rennerfolg des Tipo 33 Rennwagens wollte Luraghi eine kleine Serie von Hochleistungs- Straßensportwagen bauen. Hiermit sollte der steigende Erfolg Alfa Romeos auf den Rennstrecken flankiert und anderen europäischen "Dream Cars" etwas entgegensetzt werden. Er beauftragte wieder Chiti damit, diesen Wunsch zu erfüllen, dieser wiederum wandte sich an Scaglione, dem genialen Designer aus der Toskana, dem vielleicht talentiertesten Autodesigner der gesamten Designgeschichte. Wenn über Scaglione gesprochen wird muss an seinen Sinn für Schönheit, seine Kompromisslosigkeit und seinen unbedingten Wunsch, alles in eine perfekte künstlerische Form zu bringen erinnert werden. Scaglione war von adeliger Herkunft, ein extrovertierter Mensch und eine Art von höchster Design Instanz.
Bei der Durchsicht der vorbereitenden Entwürfe wählte Luraghi eine der ungewöhnlichen und schönen Zeichnungen aus und sagte zu Chiti:
"Lassen Sie uns diesen hier produzieren".
Der ausgewählte Entwurf war eine für diese Zeit ungewöhnliche Designleistung und die ursprüngliche Idee war, 50 Fahrzeuge auf der Basis des "Fléron" Chassis zu bauen. Das Chassis des 33er "Fleron" bestand aus genieteten Magnesiumrohren in großem Durchmesser und war H-förmig.
Eine andere Besonderheit war der Tank, der in diesen Chassisrohren untergebracht war. Dies sollte eine gleichmäßige Gewichtsverteilung unabhängig von der mitgeführten Spritmenge erreichen.
Die Lenkung, Doppelquerlenker-Aufhängung und der Motor wurden an Magnesium-Aluminium Hilfsrahmen befestigt.
Das Chassis wurde von der kleinen Flugzeugfirma Aeronautica Sicula in Palermo (die genieteten Magnesiumrohre) und Campagnolo in Vicenza (vorderer und hinterer Hilfsrahmen) hergestellt.
Die Verwindungssteifigkeit der zentralen Chassiseinheit und des Hecks waren zufriedenstellend, aber der Frontaufhängung fehlte die notwendige Steifigkeit und daher war das Handling der Rennversion stets unzureichend.
Dieses Problem begleitete das "Fléron" Chassis durch seine gesamte Laufbahn und Chiti war über die Konstruktion nie begeistert und deswegen überließ er die Urheberschaft großzügig Busso und Servizio Esperienze Speziali.
Folgerichtig wies die Stradale Version einige Änderungen zum Rennchassis auf. Die Hauptchassisrohre wurden aus Stahl gefertigt und ein um 10 cm verlängerter Radstand vergrößerte den Innenraum. Die beiden Magnesium Hilfsrahmen wurden mit Stahl verstärkt um erhöhten Aufprallschutz zu bieten. (Ein frühes Beispiel für Chiti´s Bemühungen um den Insassenschutz - Editor)
Auch mit den Modifikationen war das Chassis keine grundsätzliche Veränderung der Rennversion. Scaglione beanspruchte und erhielt die volle Kontrolle über das Design und das Ergebnis war ein kompromissloses, atemberaubendes ErgebnisDie Leistung des Motors wurde für den Straßeneinsatz leicht modifiziert und die Höchstdrehzahl wurde auf 10.000 Umdrehungen festgelegt.
Die Verdichtung wurde auf ein Verhältnis von 10 : 1 reduziert, dies ergab 233 PS bei 8800 Umdrehungen. Ausgerüstet war der Motor mit einer italienischen Spica Einspritzung. Diese Maßnahmen folgten der ursprünglichen Idee Luraghi´s den Leistungsunterschied zur Rennversion nicht mehr als 5 % betragen zu lassen.
Im Übrigen wurde in dem Straßenfahrzeug die spartanische Grundausrichtung beibehalten, das Cockpit war aber ausreichend komfortabel und behielt dabei einen unverfälschten Rennwagencharakter.
Das Hauptproblem bei Scagliones extrem niedrigen Design (99 cm) war der Einstieg. Um diesen zu erleichtern verwirklichte Scaglione nach oben öffnende Türen, in denen ein Teil des Daches integriert war.
Diese Lösung gab dem bereits exotischen Design eine noch ungewöhnlichere Note.
Für die Herstellung der Karosserie hatten Chiti und Scaglione Peraluman H 350, ein besonders leichtes Aluminium ausgewählt.
Es wurde beschlossen, den ersten Prototypen bei Autodelta in Settimo Milanese zu bauen. Der Aufbau fand dort statt, wo auch die Rennmotoren zusammengebaut wurden. Der Mangel an Mitarbeitern mit Erfahrung im Umgang mit Peraluman zwang Scaglione, erfahrenes Personal von Zagato auszuleihen.
Um den Aufbauprozeß des Fahrzeuges zu begleiten pendelte Scaglione täglich zwischen Turin und Settimo Milanese.
Zwei geniale Persönlichkeiten können nur schwerlich nebeneinander existieren und so entwickelten sich Probleme zwischen Chiti und Scaglione. Chiti war in seiner Rennsportwelt versunken und Scaglione war gezwungen, die wachsenden Probleme bei der Verwirklichung des Staßensportwagens allein zu lösen.
Die fachliche Stille zwischen den beiden wurde durch verbitterte Briefe Scagliones gewürzt, die er an alle ihm möglicherweise nützlichen Adressaten schrieb. Jahre später wird Scaglione seinen Aufenthalt in Settimo Milanese als die schlimmste Zeit seines Lebens bezeichnen. Wie auch immer, mit sprichwörtlicher toskanischer Sturheit beendete er in relativ kurzer Zeit (von Januar bis September) die gesamte Arbeit an dem ersten Prototypen des Staßensportwagens, der der Öffentlichkeit bei der Sportwagenshow in Monza stolz präsentiert wurde.
Einige Fahrzeuge die noch in Vorbereitung waren wurden für die offizielle Vorstellung des 33 Stradale bei der Motorshow in Turin im November 1967 fertiggestellt. Das Auto schockte das Publikum mit seinem aggressiven Aussehen, seiner Wirkung und mit seinem Preis, der weltweit fast jede Fahrzeugpreisliste anführte.
Nachdem der Stradale bei Autodelta fertiggestellt war, verließ Scaglione Settimo Milanese und Alfa Romeo für immer. Er war sicher nicht für das Automobilgeschäft geschaffen und nach erfolglosen Versuchen, eine eigene Designfirma aufzubauen zog sich der geniale Designer aus der Öffentlichkeit zurück. Als er an einer Lungenkrankheit in seiner toskanischen Heimat 1993 verstarb, war er nahezu vergessen.
Die Carrozzeria Marazzi aus Saronno in der Nähe von Mailand wurde mit dem weiteren Karosseriebau und der Montage der restlichen Stradale Produktion beauftragt.
Dort wurden im Verlauf des März 1969 13 bekannte Fahrzeuge fertiggestellt. Die verbleibenden 5 von 18 insgesamt hergestellten und an Autodelta gelieferten Chassis wurden den berühmten italienischen Design Studios zugesagt. Dort sollten sie zu Designstudien und Konzeptfahrzeugen für die wichtigen Automobilmessen der Welt aufgebaut werden.
Trotz des astronomischen Preises wurden alle gebauten Stradale verkauft. Es war die Entscheidung von Alfa Romeo, auf den ebenfalls in der Entwicklung befindlichen Montreal zu setzten und damit das vorzeitige Ende des Stradale herbeizuführen.
Der Montreal war ein schönes Auto aber in jeder Hinsicht dem Stradale unterlegen. Das Fahrzeug erschien mit Verspätung und war bereits bei seiner Vorstellung veraltet und nicht dazu in der Lage, der Konkurrenz von Maserati, Lamborghini und den günstigen 6 Zylinder Ferrari Mittelmotorsportwagen Paroli zu bieten.
Für die "Fans" von Chassisnummern folgt eine Liste, Stand 2012, jedoch ohne Gewähr.
750.33.01 Vier Frontscheinwerfer, Prototyp, verkauft an die Gallery Abarth, Japan
750.33.101 Erstes "Serienfahrzeug", produziert von Marazzi, (ex-Henry Wessels) Belgien
750.33.102 nach Frankreich verkauft, heute in Deutschland
750.33.103 (ex-Tony Fischhaber, ex-Rosso-Bianco Museum), Holland
750.33.104 (ex-CoGraf Dönhoff) Gr0ßbritanien
750.33.105 USA
750.33.106 (ex-Laureati), Deutschland
750.33.107 Magnesium Chassis, Fiberglas Karosserie, Daytona Motor, Semi Rennversion (heute in Neusseland).
750.33.108 “P33 Sport Roadster”, dann “Cuneo” Roadster, Pininfarina (Museo Storico Alfa Romeo Arese).
750.33.109 Carabo Bertone (Museo Storico Arese)
750.33.110 unbekannter Käufer (evtl. ex-Pahlavi Sammlung)
750.33.111 Das einzige Blau lackierte Fahrzeug (ex-Agusta, now in Japan)
750.33.112 Prototyp, vier Frontscheinwerfer (Museo Storico Arese)
750.33.113 umbenannt in 750.33.13um die Nr. 113 zu vermeiden. (Auriana Sammlung, Kanada)
750.33.114 Giro d’Italia (Joe Nastase, USA) (fraglich, Anm. des Übersetzers).
750.33.115 “33-2 SC” ,Pininfarina (Museo Storico Arese)
750.33.116 Iguana, Italdesign (Museo Storico Arese)
750.33.117 Navajo, Bertone (Museo Storico Arese)
750.33.118 Verbleib unbekannt
Der 33 Stradale (Stahl- und Aluminiumrahmen) erhielt bei Autodelta die Nummernfolge 750.33.1XX, mit Ausnahme der ersten beiden Prototypen.
Diese wurden halbfertig von Scagliones Zulieferer Saracino & Lingua in Turin angeliefert und trugen die Chassisnummern 105.33.01 und 105.33.12.
Der erste Prototyp, ziemlich sicher mit Aluminiumkarosserie und Chassisnummer 105.33.01 wurde an die Gallery Abarth in Japan verkauft.
Bei dem zweiten Prototyp, 105.33.12 wurde der Aufbau in Settimo Milanese begonnen. Weiter gefertigt wurde Fahrzeug mit vier Frontscheinwerfern 1968 in der Carrozzeria Marazzi. Es ergaben sich kleine Detailänderungen zu dem ersten Prototyp. (Scheibenwischeranlenkung unten, Belüftungsöffnungen in den hinteren Kotflügeln usw.) Das Fahrzeug war ursprünglich für den Renneinsatz gedacht.
Es handelt sich hierbei um das Fahrzeug, dass sich im Alfa Romeo Museum in Arese befindet.
Um das Museumsfahrzeug entwickelte sich eine Legende. Es gab die weit verbreitete Meinung, dass nur ein "Vier Frontscheinwerfer Fahrzeug" in Settimo Milanese gebaut wurde. Nach dem Verkauf dieses Fahrzeugs entstand die Annahme, dass das Museumsfahrzeug eine Replica sei.
Diese Vermutungen wurden durch das Schweigen Alfa Romeos beflügelt.
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